Gastartikel | Wieland hat nicht nur wörtlich von seiner vier tägigen Islandreise berichtet, sondern ließ sich auch zu einem schriftlichen Bericht breitschlagen. Neben der Hauptstadt Reykjavík, schaut er sich unter anderem am Gullfoss Wasserfall und am Strokkur Geysir um. Natürlich lässt er sich auch die Blaue Lagune nicht entgehen.
Nebenbei drängen sich stetig Gedanken zum Medienverhalten anderer Islandbesucher auf...
Endlich startet der Gastartikelsommer :-) Ich komm erst im Herbst wieder selbst zum Schreiben, habe dir aber einige spannende Artikel organisieren können!
Vier Tage auf Island
„Huh! Huh! Huh!“ hatten die Fans der isländischen Fußballnationalmannschaft der Männer bei der WM 2016 gerufen – und in Frankreich für sichtbar gute Stimmung gesorgt. Das kleine Island war der sympathische Underdog, der es leider nicht ins Finale geschafft hat. Meine Familie und ich hatten uns damals per Whatsapp über die symphatischen Wikinger während eines WM-Spiels gefreut. Dabei entstand die Idee, zusammen einen viertägigen Kurztrip nach Island zu machen.
Die Wahl fiel auf Anfang April 2017. Zwei Zimmer im Hotel Island in Reykjavik gebucht, Abflug ab Hamburg und München mit Iceland Air. Bereits im Flugzeug gab es einen kleinen Vorgeschmack auf die Vulkaninsel: Auf dem Smartphone hatte ich ein Radiofeature vom Deutschlandfunk über Gentrifizierung in Reykjavik dabei. In 50 Minuten lernte ich einiges über die jüngere Geschichte des Landes. Zum Beispiel, dass Island bis 1945 wirtschaftlich ziemlich schlecht entwickelt war und nach dem Zweiten Weltkrieg mit am Meisten vom Marshall-Fund der USA profitierte. Dass Island seit der Finanzkrise 2008 vor allem auf Tourismus setzt, in Reykjavik wie verrückt gebaut wird und die Mieten explodieren. Und dass die traditionelle Fischerei teilweise durch Marketing- und BWL-Strategien in schicken Büros und durch schicke Restaurants für die Touristen verdrängt werden.
Reykjavik wird joggend erkundet!
Montag, 10. April, Sonnenschein, -4 Grad, 6:00 Uhr – perfekt für eine Joggingrunde durch Reykjavik. Bis auf Handschuhe war ich gut ausgestattet, mit Schal und Mütze. Die Runde führte mich durch einen Sportpark, vorbei an einer Art Jugendlandheim. Dort schliefen die Jugendlichen tatsächlich in Zelten, draußen, bei -4 Grad! Einige von ihnen waren auch noch wach, in einem Partyzelt dröhnte Musik aus dem Soundsystem, während die Gruppe ausgelassen Alkohol in sich rein schüttete. Ich hielt mich grob links, Richtung Atlantik, überquerte Kreuzungen und kam an merkwürdigen Wohnhäusern vorbei: Alleinstehende Stadtvillen, komplett aus Beton, Stil Fünfziger- oder Sechzigerjahren und eine Architektur irgendwo zwischen Helsinki und Mittlerer Westen in den USA. Skanderikanisch sozusagen. Hier müssen die Marshall-Fund-Gelder reingeflossen sein, dachte ich mir.
Direkt am Atlantik verläuft eine vierspurige Schnellstraße, an der Küste ein ziemlich neu wirkender Rad- und Fußweg. Während die ersten Sonnenstrahlen über den Bergkuppen blicken, jogge ich Downtown Reykjavik entgegen. Große neue Hochhäuser, Bürogebäude für Microsoft und andere Firmen, hier sitzt wohl die New Economy von Island. An den Hochhäusern vorbei geht es die kleinen Gassen hoch. Szenenwechsel: Häuschen mit Giebeldächern, verkleidet mit pastellfarbenem Wellblech, Tattooshops, Cafés. Kurz darauf Kirchen, wieder komplett aus Beton, dann industrielle Ödnis mit großen Parkplätzen und Fabrikhallen. Die Stadt hat etwas Tristes, denke ich. Am Hotel angekommen sind meine Hände ziemlich blau.
Die blaue Lagune: 39 Grad mit Smartphone
Macht aber nichts, denn am Nachmittag geht es in die Blaue Lagune. Eine durch den Abbau in der Geothermie entstandene heiße Wasserquelle, die vor rund 40 Jahren noch von den Isländern selbst zum Baden genutzt wurde. 1992 wurde ein Komplex mit Umkleiden und Restaurants um die Quelle eröffnet, der jedes Jahr mehr Touristen anlockt. Das bis zu 39 Grad heiße Wasser mit seiner heilenden Wirkung lässt sich gut vermarkten und die Touris kommen in Scharen. Komischerweise bringen die meisten von ihnen auch ihre Smartphones mit – ins Wasser!
Wer einmal in der Blauen Lagune war, zweifelt am allgemeinen Geisteszustand der modernen Zivilisation: Dutzende Briten, Spanier, Deutsche, Franzosen mit Selfiestick in der Hand im Wasser. Oder mit dem Blick auf das Smartphone, im Videochat mit Freundinnen und Freunden daheim – was gibt es wichtigeres, als sofort live aus der Blauen Lagune zu erzählen, dass man gerade live in der Blauen Lagune ist? Es gibt sogar Plastikhüllen für die Smartphones zu kaufen, selbst in der Getränkebar direkt im Wasser. Hoffentlich bleibt das Smartphone trocken, bis man die Bar erreicht hat. Wenn es ins Wasser fällt, habe ich kein Mitleid.
Die Blaue Lagune ist schon ziemlich dekadenter Luxus. Mit kostenlosen Schlammpackungen und so. Hatte ich vorher noch nie gemacht, hat auch hinterher meine Haut nicht dramatisch jünger aussehen
lassen, war aber sehr lustig mal so eine Paste auf das Gesicht zu klatschen. Das heiße Wasser war sowieso der Hammer, danach bist Du tiefenentspannt. Der Trip in die Blaue Lagune ist also auf
jeden Fall empfehlenswert. Allerdings sollte man auf das Wetter achten. Bei starkem Wind und Schnee kann es, trotz 39 Grad im Wasser, draußen sehr unangenehm sein.
Erkundung Islands mit Bus und Guide
In vier Tagen Island kann man natürlich nicht alles sehen. Gletscher zum Beispiel. Eine klassische Bustour deckt einiges ab, wenn man nicht gerade selber mit dem Auto oder einem Wohnmobil unterwegs ist. Wir hatten Glück mit unserer Tour, was vor allem an unserem bezaubernden, witzigen und sehr gut Englisch sprechendem Tourguide lag. Sie erzählte viel über die kulturellen Eigenheiten der Isländer. Zum Beispiel, dass es in jedem Viertel mindestens einen heißen Pool gibt und sich die Nachbarschaft dann gerne mal zum kollektiven Hitzebad trifft. „Das sollten Sie auch mal ausprobieren, wenn Sie die Möglichkeit haben“, sagte sie. Wir fuhren durch Landstriche, wo nur vereinzelte Häuser rumstanden. Die Bewohner versorgten sich, soweit es ging, selbst, mit dem Gemüseanbau in den umliegenden Gewächshäusern zum Beispiel.
Strokkur, Gullfoss und Kontinentalspalte
Der erste Zwischenstopp der Bustour war der Strokkur Geysir. Hunderte Besucher, die versuchen, den Moment der ausstoßenden Wasserfontäne richtig mit der Kamera oder dem Smartphone einzufangen. Ich hatte eine analoge Spiegelreflexkamera dabei, mit kaputtem Belichtungsmesser. Während ich in den meisten Momenten die Belichtung richtig eingestellt hatte, ging beim Strokkur Geysir alles schief. Kein Foto ist was geworden. Noch während ich fotografierte ging mir durch den Kopf wie albern das eigentlich ist, dieses Schauspiel mit der Kamera einfangen zu wollen. Es sieht auf dem Foto sowieso nicht lang so gut aus wie in echt! Trotzdem habe ich meine Kamera nicht eingepackt, mich einfach mal hingestellt und das Schauspiel genossen. Nächstes Mal.
Deutlich entspannter war der nächste Stopp der Bustour: Der Gullfoss Wasserfall. Auch wenn das Licht an diesem Tag nicht besonders gut war – es war bewölkt – der Anblick dieses unglaublich breiten und wahnsinnig tiefen Wasserfalls war beeindruckend. Ein leichter Nebel lag über dem Wasser, vom Aufprall zerstäubte Wassertröpfchen. Auch der letzte, große Busstopp ließ tief blicken: Die Kontinentalspalte der tektonischen Platten von Nordamerika und Eurasien. Zwei Zentimeter pro Jahr bewegt sich die Erde hier. Am weiten Blick über die glasklaren Seen, Hügellandschaften und die isländische Tundra konnte man sich nicht satt sehen. Die Bustour zum Strokkus Geysir, den Gullfoss Wasserfall und zur Kontinentalspalte ist auf jeden Fall eine Reise wert.
Zurück in der Hauptstadt - Reykjavik
Dann war Reykjavik wieder an der Reihe. Wer in kleinen Geschäften und Cafés reinschnuppern will, ist in der Laugavegur, eine der wichtigsten Einkaufsstraßen Reykjaviks, gut aufgehoben. Hier gibt es auch sehr schöne Second-Hand-Läden. Die Preise sind aber, wie eigentlich alle Preise in Island, gesalzen. Wer die neueren Locations antesten will, sollte Richtung Hafen gehen. Hier gibt es sie: Die schicken, neuen Restaurants, wo früher Hafenarbeiterinnen und -arbeiter geschuftet haben. Zum Beispiel im „Matur og Drykkur“. Edle isländische Küche, auch total dekadent, aber wahnsinnig lecker. Moderner Industriechic, dazu eine große Fotoleinwand, die an frühere Zeiten erinnert: Frauen in weißen Kitteln, mit zusammengebundenen Haaren und ernster Miene, an langen Bänken, die Fisch ausnehmen.
Ein Gebäude in Reykjavik hat mich ziemlich beeindruckt: Das Konzerthaus Harpa. Ein buntes Spiel mit Licht und geometrischen Formen außen und stilvollem, anscheinend schwarzem Beton innen. Das Harpa ist ein Blickfang, verdeckt aber auch teilweise die Sicht auf den alten Hafen. Und das ist nur der Anfang. Direkt daneben wird gerade ein neuer Hotelklotz hochgezogen, bald wird man den Hafen vor lauter Klötzen nicht mehr sehen. Im traditionellen Fischereiland Island scheinen sich die Prioritäten geändert zu haben.
Fazit zur Islandreise
Der Viertagestrip nach Island hat sich gelohnt. Nur eine Sache war vergeudete Zeit: Die Suche nach dem Nordlicht. Dafür waren wir im April schon zu spät dran. Wer Nordlichter sehen will, sollte wohl besser im Winter nach Island fahren. Bei den satten Minustemperaturen lohnt sich dann auch der Ausflug in die Blaue Lagune umso mehr. Ein Tipp noch: Man sollte es vermeiden, in Reykjavik eine Wohnung anzumieten. Wie wir erfahren mussten, gibt es nämlich Einheimische, die häufig umziehen müssen. Denn viele Mietverträge sind immer nur auf Zeit, weil dutzende Wohnungen halbjährig an Touristen vermietet werden. Diesen Wahnsinn muss man ja nicht auch noch unterstützen.
Text und Fotos: Wieland Gabcke (NDR-Journalist und Hundefreund)
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