Gastautor Johannes berichtet vom großen Finale seiner Schwedenreise im letzten Sommer: Gemeinsam mit seiner Hündin Tessa hat er sich an den Anstieg des höchsten Berg Schwedens gemacht. Der Kebnekaise. Wie es ihm beim Besuch der Fjällstation und beim Auf- und Abstieg des 2099 m hohen Bergs erging, beschreibt er im Folgenden.
(Liest du über einen Feed-Reader? Dann klick dich doch rüber zum Originalbeitrag Die Besteigung vom Kebnekaise. Dann bekommst du auch alles im richtigen Format angezeigt!)
Wanderung auf den Kebnekaise in Schweden
Gastartikel | Einmal im Leben den höchsten Berg Schwedens erklimmen – diesen Gedanken trug ich schon ein paar Jahre mit mir herum. Im vergangenen Sommer konnte ich ihn endlich in die Tat umsetzen. Dabei hätte ich auf mein größtes Abenteuer in Schweden beinahe verzichtet, denn tags zuvor teilte ich mir in Kiruna noch eine Unterkunft mit einem anderen deutschen Gast, der mir nicht nur bereitwillig seine verregneten Urlaubsfotos präsentierte, sondern mir auch ganz grundsätzlich von meiner Idee abriet, da es am Kebnekaise von Touristen nur so wimmeln würde. Letztlich setzten sich jedoch Skepsis und Starrsinn durch und so stand ich aller Warnungen zum Trotz bereits am nächsten Tag in Nikkaluokta*, wo mein Abenteuer beginnen sollte.
Dabei stellte sich recht schnell heraus, dass er in Sachen Touristen wirklich nicht übertrieben hatte. Tatsächlich scheint das Erklimmen des Kebnekaise in Schweden so eine Art Volkssport zu sein
und das kleine Sami-Dorf war dem Andrang kaum gewachsen. Als ich mein Auto schließlich pflichtbewusst an der Rezeption angemeldet und die Parkgebühr für die kommenden Tage bezahlt hatte, ging es
auch schon los.
Von Nikkaluokta aus sind es rund neunzehn Kilometer gen Westen zur Kebnekaise Fjällstation. Der Weg lässt sich um etwa sechs Kilometer abkürzen, indem man am Ufer des Ladtjojaure in eine Fähre steigt. Da die Überfahrt selbst für schwedische Verhältnisse relativ teuer ist, verzichtete ich jedoch darauf und entschloss mich stattdessen dazu, noch ein paar Kilometer extra zu absolvieren, da ich zwischendurch die Decke für meinen Hund verloren hatte und noch einmal zurücklaufen musste. Langweilig wurde mir unterwegs trotzdem nie, denn aufgrund der Nähe zum Wasser leisteten mir bis zum Abend allerlei Stechmücken Gesellschaft. Anfangs trug ich deshalb noch ein Moskito-Netz* über dem Kopf, als ich jedoch unterwegs einen voll bepackten Schweden mit kurzer Hose, T-Shirt und Sandalen traf, beschloss ich es ihm gleichzutun und bereitwillig Blut zu spenden.
Es dämmerte bereits, da kam ich schließlich an der Fjällstation an. Mit meinem Hund im Schlepptau und angesichts der Preise, die schon die Fahrt mit der Fähre gekostet hätte, dachte ich gar nicht erst an eine Übernachtung in der Fjällstation. Stattdessen begnügte ich mich damit, mein Zelt zwischen all den anderen in Sichtweite aufzuschlagen.
Am nächsten Morgen wurde ich in aller Frühe von lautem Krach geweckt. Wie sich herausstellte, konnte man – das nötige Kleingeld vorausgesetzt - auch mit dem Hubschrauber bis zur Fjällstation oder
gleich ganz bis zum Gipfel fliegen. Einmal wach, packte ich kurzerhand meine Ausrüstung zusammen, was meine Hündin anscheinend als Einladung verstand, mit meinen Zeltnachbarn Freundschaft zu
schließen. Das ältere Paar freute sich offensichtlich über Gesellschaft, als ich ihnen jedoch erklärte, ich wolle mit Tessa auf den Kebnekaise, schmunzelten sie. Einerseits, weil man tatsächlich
nicht allzu oft einen Hund dort oben sieht, andererseits weil mein Rucksack offensichtlich viel zu schwer für die Tour war. Wenn ich den Gipfel wirklich erreichen wollte, sollte ich mein
überschüssiges Gepäck in der Fjällstation hinterlegen und nur das Nötigste mitnehmen. Ein Ratschlag, für den ich den beiden bis heute unendlich dankbar bin. Nachdem ich das Gros meiner Ausrüstung
im Keller der Fjällstation zurückgelassen hatte, machte ich mich also nur mit einem Tagesrucksack an den Aufstieg.
Von der Fjällstation aus führen zwei Wege direkt zum Südgipfel des Kebnekaise. Der Östra leden und der Västra leden. Wer einen Hund dabei hat, steht allerdings vor keiner allzu großen Wahl. Der Östra leden ist zwar der weitaus kürzere von beiden, allerdings verläuft er auch über Gletscher und unterwegs müssen immer wieder Klettersteige passiert werden. Demnach blieb mir nur der Västra leden, für den etwa zehn bis vierzehn Stunden veranschlagt werden. Der Weg verläuft dabei zunächst westwärts durch ein grünes Tal, zieht am Fuß des Tuolpagorni jedoch kurzerhand steil an. Hierauf folgt ein weiteres, felsiges Tal durch dessen Mitte der Kittelbäcken, ein kleiner Fluss verläuft. Die letzte Gelegenheit, Wasser aufzufüllen, denn hierauf folgt nur noch ein Meer aus Felsen und Eis.
Da Tessa bereits nach ein paar Stunden sichtlich Mühe hatte, mitzuhalten, mussten wir unterwegs immer wieder kleinere Pausen einlegen. Auch weil die Sonne unablässig schien und sobald der Wind abflaute, nahezu sommerliche Temperaturen herrschten. Oberhalb der Schneegrenze rasteten wir schließlich lange genug, sodass mein Hund kurzerhand im Schnee vor sich hin döste, während ich die Aussicht genießen konnte. Tatsächlich hatten wir unbeschreibliches Glück mit dem Wetter. In der Höhe und so weit nördlich des Polarkreises bedeutete schlechtes Wetter nicht nur null Sicht, sondern auch eisige Temperaturen. Und ich saß da, in einer leichten Übergangsjacke, die keinem einzigen Schauer standhalten würde, während mein Hund neben mir im Schnee schlief. Im Nachhinein betrachtet, absolut leichtsinnig, aber eben auch irgendwie verrückt und großartig.
Als wir schließlich das Meer aus Steinmännchen auf dem Vierranvarri erreichten, befanden wir uns quasi auf der Zielgeraden. Unterwegs grüßten uns immer wieder andere Wanderer und lobten vor allem Tessa. Die letzten paar Meter stapften wir zwar durch tiefen Schnee, aber gefühlt liefen wir beide auf Wolken. Schließlich erreichten wir sichtlich stolz und gemeinsam mit ein paar anderen den vereisten Südgipfel. Oben angekommen beglückwünschten sich alle freudestrahlend. Ein paar Schwedinnen packten sogar kurzerhand Champagner-Gläser aus und feierten den Geburtstag ihrer Freundin. Die Aussicht war dabei absolut fantastisch. Angeblich kann man von dort oben rund zehn Prozent von ganz Schweden überblicken. Wirklich zu schätzen weiß man den Ausblick aber erst mit dem mühsamen Aufstieg in den Knochen.
Anschließend hieß es, sich stilecht voneinander zu verabschieden - was auf dem Gipfel des Kebnekaise bedeutete, dass alle die ersten Meter auf dem Hintern hinunterrutschten. Nur Tessa entschied sich, bei ihrem Abgang offensichtlich ihr eigenes Ding durchzuziehen und stolperte stattdessen querfeldein durch den Tiefschnee, sehr zur Belustigung ihres Publikums.
Während wir bis zum Gipfel rund sieben Stunden gebraucht hatten, brauchten wir für den Rückweg nur rund vier, sehr zum Leidwesen meiner Knie. Vor allem Tessa war inzwischen dem Ende ihrer Kräfte sichtlich nahe und ließ sich zwischendurch immer mal wieder ein paar Meter zurückfallen. Selbst für die Rentiere, die wir unterwegs trafen, interessierte sie sich nicht sonderlich. Als wir beide schließlich abends erschöpft an der Fjällstation ankamen, nahm ich kurzerhand meinen Rucksack, der glücklicherweise noch dort lag, wo ich ihn zuvor gelassen hatte, und stellte mein Zelt wieder genau dorthin, wo ich es morgens noch abgebaut hatte.
Am nächsten Tag traten wir dann den Rückweg nach Nikkaluokta an. Und das so glücklich, dass selbst die Moskitos sich darüber freuen mussten. Unterwegs rasteten wir noch bei Lap Dånalds (kein Witz), einem kleinen, aber feinen Restaurant mitten in der Wildnis. Frei nach dem Motto „Gestern noch bestaunt, heute schon verdaut“ landete hier zum ersten Mal Rentier auf meinem Teller. Für alle, die also schon immer einmal wissen wollten, wonach Rentier schmeckt: Es schmeckt wie Rind. Nur hungriger.
Text und Fotos:
Johannes, Baujahr 90, lebt und arbeitet in Hanau. In seiner Freizeit geht er gemeinsam mit seiner Hündin Tessa gern an seine Grenzen. Mental wie geografisch. Zu seinen Hobbies zählen neben zahlreichen Sportarten vor allem das Reisen und Fotografieren. Seine Arbeiten veröffentlicht er unter dem Pseudonym Alpha Image auf Facebook.
Das könnte dich auch interessieren:
Nichts mehr verpassen?! Lies auf feedly oder bloglovin mit!