Gastartikel | Ich finde es wichtig, auf Schweden und so verschiedene Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Und nicht alles muss immer nur positiv sein. Gastautor Johannes war jetzt zwei Sommer lang für mehrere Wochen in Schweden unterwegs, hat sich sein Bild gemacht, seine Erfahrungen gesammelt und Meinungen gebildet. Hier der Auftakt seiner Schwedenreise im Sommer 2017 - Es geht um schwedische Klischees, Hotels mit versteckten Kosten und die Hinterlassenschaften von Schafen...
Eigentlich kann ich Schweden nicht leiden
Vermutlich nicht der beste Auftakt für einen Schweden-Blog, aber bevor jetzt noch jemandem vor Schreck die Zimtschnecke aus der Hand fällt – lass mich erklären.
Tatsächlich kann ich mich für schwedische Klischees in etwa so sehr begeistern, wie für ein Party-Wochenende am Ballermann. Das mag polemisch klingen - besonders da man Schweden im Ausland gemeinhin nur in Form von IKEA oder ulkigen Elch-Schildern wahrnimmt - aber wer mit den skandinavischen Schrullen nichts anfangen kann, der wird angesichts schier endloser Süßwaren-Regale im Supermarkt oder allgegenwärtiger Glücksspiel-Werbung bald nur noch die Augen verdrehen.
Warum Schweden trotzdem eine Reise wert ist? – Würde ich behaupten, es läge lediglich an der Landschaft, die Schweden zu bieten hat – ich würde den Menschen, denen ich unterwegs begegnete, Unrecht tun. Tatsächlich habe ich auf meiner Reise viele herzliche Menschen kennengelernt, die nicht nur so gar nicht den schwedischen Klischees entsprachen, sondern denen ich auch das ein oder andere Abenteuer zu verdanken habe.
Und letztlich ist es genau das, was mich an Schweden fasziniert. Die vielen kleinen Abenteuer, abseits der ausgetretenen Pfade und gängigen Klischees.
Die Einreise
Meine Suche nach Abenteuern begann bereits bei meiner Ankunft im Fährhafen von Trelleborg und damit zugegebenermaßen früher als erhofft. Eigentlich erwartete ich dort – aufgrund der offiziellen Angaben im Netz – vom Zoll kontrolliert zu werden. Immerhin saß Tessa, meine acht Jahre alte Schäferhündin, hinten im Kofferraum und blickte neugierig in Richtung der Zollbeamten. Die winkten mich jedoch kurzerhand einfach durch. Da mein Hund die erforderliche Tollwut-Impfung besaß und ich ansonsten auch keine Schmuggelware dabei hatte, schob ich meine Zweifel beiseite und fuhr weiter. Was ich jedoch nicht ignorieren konnte, war die Warnleuchte im Armaturenbrett, die mir wenig später mitteilte, dass meinem Auto Öl fehlte. So viel sei an der Stelle bereits verraten: Mein alter BMW und ich würden im Laufe der Reise keine Freunde mehr werden. Dank der sechs Liter Motoröl, die ich vorsorglich im Kofferraum deponiert hatte, hielten wir es aber zumindest vorerst miteinander aus.
Åles stenar - Die Steine von Ale
Von Trelleborg aus, fuhr ich weiter nach Båstad, wo ich in einem Vandrarhem des STF („Svenska Touristföreningen“, vergleichbar mit dem deutschen Jugendherbergswerk) die Nacht verbrachte. Als ich
am nächsten Morgen aufbrach, hieß mein nächstes Ziel „Åles Stenar“ ("Die Steine von Ale“). Laut der Dame vom STF handelt es sich dabei um eine sogenannte Schiffssetzung, was letztlich nichts
anderes ist, als eine Umschreibung für viele Steine, die so aufgestellt wurden, dass sie die Umrisse eines Schiffes symbolisieren, welches die Verstorbenen ins Totenreich bringen sollte. Klingt
vielleicht ganz spannend, war aber vor allem eines: hoffnungslos überlaufen. Zum einen von Touristen, zum anderen von Schafen. Letztere hielten dort allerdings nicht nur das Gras niedrig, sondern
sorgten zudem dafür, dass man mit jedem Schritt darauf achten musste, nicht in ihre Hinterlassenschaften zu treten. Ein Umstand, der so garantiert in keinem Reiseführer erwähnt wird. Alles in
allem war ich nur mäßig beeindruckt, allerdings begegnete ich seit der „Famous Viking Fortress“ in Trelleborg im vergangenen Jahr, solchen lokalen Sehenswürdigkeiten ohnehin mit Skepsis, weshalb
ich nicht allzu enttäuscht von dannen zog.
Malmö
Von Ystad aus, ging es anschließend weiter nach Malmö. Dort hatte ich mich bereits im Voraus für zwei Tage in einem Hotel eingemietet. Im Nachhinein betrachtet vermutlich nicht das beste Timing, denn als ich am späten Samstag-Nachmittag dort ankam, fand ich abgesehen von ein paar Supermärkten in ganz Malmö praktisch nur noch geschlossene Geschäfte vor, was sich auch bis zu meiner Abreise am Montag nicht ändern würde.
Trotzdem wollte ich nicht die ganze Zeit im Hotel verbringen und so erkundete ich die Stadt zu Fuß nach Lust und Laune. Malmö entpuppte sich dabei als Stadt der Widersprüche. Hier reihen sich
hässliche Plattenbauten an moderne Wohnsiedlungen und oftmals auch Baustelle an Baustelle. Im örtlichen „Wake-Park“ surft die Szene, während ein paar Meter weiter ein Obdachloser Pfandflaschen
aus einem Mülleimer fischt. Zumindest der architektonische Kontrast lässt sich dabei relativ einfach erklären, denn Schweden erlebte im Laufe der 50er und 60er einen nie dagewesenen
Wirtschaftsaufschwung, was letztlich zu einem Bevölkerungswachstum und damit verbunden vor allem in den Großstädten zu einer enormen Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum führte. Aus diesem Grund
rief man das sogenannte „Millionenprogramm“ ins Leben, was letztlich in ziemlich miesen Wohnsiedlungen in Betonbauweise endete. In den 70er-Jahren ging der Regierung dann glücklicherweise das
Geld aus und der Spuk hatte vorerst ein Ende.
Trotz allem hat Malmö heutzutage auch einiges zu bieten, vor allem in Sachen Infrastruktur. Die gesamte Stadt lässt sich bequem mit dem Rad erkunden. Immer wieder findet man, kreuz und quer in der Stadt verteilt, Stationen, an denen man sich vollautomatisch Fahrräder leihen kann. Hundehaltern kann ich zudem den Strand „Ribersborg“ im Westen der Stadt empfehlen. Hier gibt es ein eigenes Areal für Hunde, das nicht nur mehr als weitläufig ist, sondern auch einen Agility-Bereich bietet. Außerdem hat man von hier aus einen tollen Blick auf den Turning Torso, das Wahrzeichen der Stadt.
Nichtsdestotrotz war ich montags froh, Malmö endlich hinter mir lassen zu können. Zum einen, weil das hieß, nicht mehr von asiatischen Touristen in aller Frühe geweckt zu werden, zum andern, weil ich die horrenden zusätzlichen Gebühren für Hund und Parkplatz bei der Buchung meines Hotels schlicht übersehen hatte. So kostete mich jede Nacht in Malmö statt der angedachten siebzig Euro letztlich mehr als hundert Euro.
Hovs hallar
Das nächste Ziel auf meiner Reise hieß „Hovs Hallar“, ein kleines Naturreservat an der Westküste, das ich im vergangenen Jahr schon einmal besucht hatte. Hier wollte ich noch einmal rasten, bevor ich weiter Richtung Norden fuhr. Neben der Landschaft freute ich mich diesmal zudem über das gleichnamige Restaurant vor Ort, das ich bei meinem letzten Besuch schlicht ignoriert hatte. Eine Bekanntschaft, die ich nun nachholte, indem ich dort für rund fünfzehn Euro versuchte, mein Eigengewicht in Fisch zu essen.
Schwerer als der Fisch war anschließend jedoch die Tatsache zu verdauen, dass die Hundert-Kronen-Scheine, die ich die Woche zuvor bei einer Bank in Deutschland gewechselt hatte, seit wenigen
Tagen offiziell ihre Gültigkeit verloren hatten, was nichts anderes hieß, als dass ich sie nach meiner Reise via Post an die schwedische Reichsbank schicken musste, damit diese mir das Geld –
gegen eine Gebühr – auf mein Konto überweisen würde. Das zweite und mit Sicherheit nicht das letzte Lehrgeld auf meiner Reise...
Text und Fotos:
Johannes, Baujahr 90, lebt und arbeitet in Hanau. In seiner Freizeit geht er gemeinsam mit seiner Hündin Tessa gern an seine Grenzen. Mental wie geografisch. Zu seinen Hobbies zählen neben zahlreichen Sportarten vor allem das Reisen und Fotografieren. Seine Arbeiten veröffentlicht er unter dem Pseudonym Alpha Image auf Facebook.
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