Gastartikel | Tine ist nicht nur Bloggerin auf Finnweh!, sondern auch eine meiner NordNerds Kolleginnen. Als Finnlandexpertin berichtet sie im Folgenden über ein kleines Dörfchen im Süden Finnlands, in dem sie nicht nur herrlichen Blaubeerkuchen sondern irgendwie auch Schweden fand...
Schweden in Finnland
Ruhige Sommertage liegen über dem Süden Finnlands und Nachmittage sind faul in dem kleinen Örtchen Karjaa als wir unseren Road-Trip hier für ein paar letzte Tage ausklingen lassen. Die kleine Stadt liegt zwischen Turku und Helsinki und wartet verschlafen mit seinen knapp 10.000 Einwohnern auf Besucher. Wir sind in einem kleinen, rustikalen Bed & Breakfast abgestiegen. Der alte Dönsby-Hof beherbergt im alten hölzernen Bauernhaus seine Gäste und eine ganz besondere Herausforderung.
Das Fleckchen im Nirgendwo ist zu knapp 70% mit schwedischen Finnen bewohnt, da wundert es also nicht, dass hier konsequent der Name Karis verwendet wird – Karjaa kennt hier keiner. Karis liegt an der Südküste Finnlands an der Bahnstrecke zwischen Turku und Helsinki entlang der Königsstraße, die einst den Schwedenkönig bis nach Viipuri (heute in Russland) brachte.
Schon während unserer Fahrt an der Westküste verändert sich Suomi. Auf den zweisprachigen Straßenschildern steht plötzlich Schwedisch ganz oben und wenn man Unterhaltungen der Bevölkerung miterlebt, kann es schon einmal vorkommen, dass auf eine finnische Frage wie selbstverständlich eine Antwort auf Schwedisch folgt. Warum also Schwedisch die zweite offizielle Landessprache ist, wird spätestens in der Küstenregion Finnlands klar.
Das Dönsby B&B
Weil Helsinki restlos ausgebucht war, sind wir nun in diesem kleinen Weiler im Einzugsbereich der Metropolregion gelandet. Wir merken gleich, dass hier irgendetwas anders ist. Deutlich wird es an den Fahnenmasten in den ordentlich abgetrennten Vorgärten. Dort flaggen entweder schwedische oder finnisch-schwedische Wimpel.
Der alte Bauernhof – der Dönsby-Hof – ist liebevoll zum Bed&Breakfast von Nora umgestaltet worden. Das alte rote Holzhaus ihrer Großmutter, riecht noch ein wenig rustikal und ist mit den altertümlichen Dingen der damaligen Zeit dekoriert. Herrlich schön ist es. Mir fällt ein Heft über den Milchertrag der Kühe Birta, Lina und Emma in die Hand. Dort drüben steht ein Spinnrad und das Haus war wohl eines der ersten mit Telefonanschluss.
Zur Ankunft leisten wir uns Blaubeerkuchen mit Schlagsahne und frischen Walderdbeeren. Es ist gemütlich im Garten mit Blick auf den Hof zu sitzen. Gleichzeitig stellt sich Betriebsamkeit ein: Übernachtungsgäste kommen, dann möchte jemand ein Stück Kuchen. Der Postbote schaut vorbei. Nora setzt sich zwischendurch gemütlich auf die Stufen der Veranda und schnauft bei einer Tasse Kaffee durch.
WOW! Ich entdecke gerade eine neue Fassette meines geliebten Finnlands. Schwedisch Finnland – Schweden in Finnland! Den Katthult-Hof aus meinen Kindertagen hätte ich wohl niemals in Suomi vermutet, doch da ist er vor uns. Falunrotes Bauernhaus, Schuppen, Hühnerstall. Sogar eine Mittsommerstange welkt vor sich hin – es gab kein Juhannusfeuer. Vielleicht sind wir am Bahnhof falsch ausgestiegen? Und doch nach Schweden gefahren? Noras Zwillinge spielen auf dem Hof und sind so frech wie Michel und Emil zusammen. (Sie heißen tatsächlich Emil und Raul.) Die Karnickel hoppeln fröhlich umher und die Hühner picken und gackern – natürlich auf Schwedisch.
Das Sprachenwirrwarr
Dass man hier an diesem zeitvergessenen Ort nicht bei Michel aus Lönneberga gelandet ist, muss man sich doch immer wieder in den Sinn rufen, denn um uns herum hören wir nur noch Schwedisch. Eine echte Herausforderung nachdem wir die Wochen zuvor nun schon zwischen Deutsch, Englisch und Finnisch gewechselt haben. Während mein Kopf versucht, die Eindrücke und die Sprachen den richtigen Gesprächspartnern zu zuordnen, wird mir bewusst, wie interessant dieses Fleckchen Erde eigentlich ist. Hier ist das Schwedisch-Sein so selbstverständlich ohne in Schweden zu sein. Hier ist Finnland anders und doch sieht man, welche Einflüsse auf die finnische Mentalität seit jeher stoßen. Fast wie ein Fossil wirkt „Klein Schweden“ hier – ein Reservat.
Für Schwedenbegeisterte, ist dieser Ort und diese Region vielleicht eine Möglichkeit, eine andere schwedische Fassette zu erleben. Finnisch-Schwedisch eben! Wenn es mich als Finnland-Fan schon der schwedischen Lebensweise näherbringt, kann das doch auch umgekehrt funktionieren, oder?
Warst du selbst schon einmal im schwedischen Teil Finnlands? Wie hast du das empfunden? Ist das wie in Schweden oder eher wie in Finnland?
Solltest du auch auf Entdeckungsreise zu dieser Verrückten Mischung gehen wollen, übernachte doch bei Nora im Dönsby
B&B oder schau einfach zum fika rein!
Text und Fotos: Tine Birkel
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