Gastartikel | Der Hohe Küste Wanderweg, High Coast Trail, Höga Kustenleden: Frische Meeresluft und eindrucksvolle Felslandschaften, 128 Kilometer entlang der schwedischen Ostküste - mitten durchs UNESCO Weltnaturerbe. Schweden und so Gastautor Johannes hat den Trail im Juli mit seiner Hündin Tessa bestritten. Hier sein Bericht:
Wandern an der Hohen Küste in Schweden
Bevor ich von meinen Erlebnissen unterwegs erzähle, muss ich vermutlich etwas klarstellen. Man kann den High Coast Trail auf zweierlei Art bestreiten: entweder man nimmt sich Zeit, kommt zur Ruhe und erkundet einen Abschnitt nach dem anderen. Oder aber man zieht den Trail eiskalt durch. Beides hat seine Vor- und Nachteile.
Tatsächlich gibt es abseits der orangenen Markierungen zahlreiche Sehenswürdigkeiten, von denen manche wirklich einen Blick wert sind, wie etwa der Slåttdalsberget (im Nationalpark Skuleskogen) oder der Skuleberget (nahe dem Naturum Höga Kusten). Zwischendurch laden zudem rustikale Hütten mit Ofen und Holzpritschen zum Verweilen ein. Wer den Trail auf diese Weise wandert, erfährt unterwegs nicht nur mehr über das Land und die Leute, sondern lernt vermutlich vor allem eines: Gelassenheit.
Dann wäre da allerdings noch die zweite, sportlichere Option. In dem Fall lernt man wohl weniger Schweden als vielmehr sich selbst kennen. Man lernt, dass daumengroße Blasen an den Füßen und 25 Kilometer täglich einander nicht ausschließen. Man lernt, dass ein guter Rucksack sein Gewicht auf Schultern und Hüften verteilt, was letztlich nichts anderes heißt, als dass beide gleichermaßen wund werden. Und man lernt, abends vollkommen erschöpft einzuschlafen und morgens irgendwie erholt aufzuwachen. Das wirklich Faszinierende dabei ist jedoch: hat man sich erst einmal an all die Strapazen gewöhnt, blendet man sie irgendwann komplett aus.
Wandern auf dem Hohe Küste Wanderweg - Los geht´s!
Als ich dienstags gegen Mittag auf dem Parkplatz Hornöberget mein Auto abstellte, hatte ich mich bereits für die sportlichere Variante des Trails entschieden. Bevor ich endgültig aufbrach,
studierte ich jedoch noch einmal den Travel-Guide, den ich zuvor im Naturum Höga Kusten gekauft hatte, und genoss dabei den Ausblick auf die Högakustenbron. Der Trail selbst ist in dreizehn
Stationen unterteilt, die meisten davon rund zehn Kilometer lang, allerdings unterschiedlich anspruchsvoll – je nach Höhenunterschied. Das einzigartige am Höga Kustenleden ist nämlich, dass er in
unmittelbarer Nähe zur Küste verläuft, dabei jedoch auch bis zu 285 Meter über dem Meeresspiegel liegt, was geographisch betrachtet einzigartig ist.
Nachdem ich die letzten Utensilien in meinem ohnehin schon zu schweren Rucksack verstaut hatte, legte ich meinem Hund noch das Geschirr mit den Tragetaschen an und brach schließlich auf. Ich hatte mich dazu entschlossen, Tessa ihren Proviant, der aus einer Halbliterflasche Wasser und etwa einem Kilo Trockenfleisch bestand, selbst tragen zu lassen. Sie sah mir das offensichtlich nach, denn kaum hatte ich sie abgeleint, schien sie der glücklichste Hund weit und breit zu sein.
Tatsächlich traf ich entlang des Trails nur wenige Hunde und schon gar keine, die unser Ziel teilten. Generell ist das Wandern auf dem Trail jedoch auch für Vierbeiner unproblematisch, wenn man einmal von dem Abschnitt vor Docksta absieht. Hier verläuft die Strecke nämlich rund einen Kilometer auf dem Standstreifen der Schnellstraße, was sowohl Hund als auch Halter durchaus Überwindung kosten kann.
Ich war noch keine Stunde unterwegs, da begrüßte mich der Trail in aller Herzlichkeit mit einem Wolkenbruch. Es dauerte nicht lange, da hielt meine Softshell-Jacke den Wassermassen nicht mehr
stand und ich begann die beiden älteren Damen mit ihren Regenponchos, die ich zuvor getroffen hatte, zu beneiden.
Der Gedanke, umzukehren, kam mir jedoch nicht in den Sinn. Stattdessen stieß ich kurze Zeit später auf einen Leidensgenossen. Zu meinem Glück sprach Ola nicht nur bestens Englisch, sondern hatte auch noch ähnliche Vorstellungen, was die tägliche Distanz anging, die man zurücklegen wollte. So kam es, dass wir kurz darauf zusammen weiterzogen.
Es dauerte nicht lange und wir hatten einen Draht zueinander. Die kommenden Stunden unterhielten wir uns über die verschiedensten Themen, erzählten einander Geschichten aus der Heimat und heiterten uns gegenseitig mit blöden Sprüchen auf. Als wir abends schließlich völlig durchnässt an einer der Hütten ankamen, stand bereits außer Frage, dass wir auch am nächsten Morgen wieder gemeinsam losziehen würden.
Im Nachhinein bin ich Ola wirklich dankbar für seine Gesellschaft, denn aufgrund seiner besseren Vorbereitungen und meiner eingeschränkten Schwedisch-Kenntnisse, übernahm er mehr als einmal das Ruder und vermittelte. So auch am zweiten Abend, als wir erneut vollkommen verfroren und durchnässt in Lappuden ankamen. Laut meinem Travel-Guide sollte man beim dortigen „Recreational Centre“, eine Hütte für die Nacht mieten können. Zu unserem Pech waren jedoch bereits alle Hütten in denen Hunde erlaubt waren belegt und so wanderten wir schließlich widerwillig weiter. Ich aus Solidarität zu meinem Hund. Ola aus Solidarität zu mir. Immerhin war die Dame an der Rezeption so nett und rief bei der Pizzeria im nächsten Ort an, wo man uns versicherte, mit dem Schließen bis nach unserer Ankunft zu warten.
Dass dieses Versprechen offensichtlich wertlos war, erfuhren wir jedoch bereits wenig später, als wir dort ebenfalls vor verschlossener Türe standen. Ola, ganz der Schwede, trug es mit vornehmer Gelassenheit. Ich hingegen war sauer.
Am dritten Tag auf dem Trail trennten sich leider unsere Wege. Ola bereute den Umstand, tags zuvor noch mehr als dreißig Kilometer gelaufen zu sein, denn seine Schuhe waren bereits seit Tag eins nicht mehr wasserdicht. Selbst das Aufstechen der Blasen an seinen Füßen half an diesem Morgen nichts und so beschloss er kurzerhand und sehr zu meinem Bedauern, die Wanderung abzubrechen und im nächsten Ort, Ullånger, nach einer Buslinie Richtung Heimat Ausschau zu halten.
Wie er mir später via Facebook mitteilte, war er jedoch bereits nach ein paar Tagen wieder halbwegs fit und setzte den Trail anschließend auch wieder in Ullånger fort.
Mir hingegen ging es – abgesehen von dem Umstand, dass ich Ola zurücklassen musste – blendend. Zwar taten sowohl meine Hüfte als auch meine Schultern weh, bei letzteren war ich mir jedoch inzwischen sicher, dass die Schmerzen nicht von dem Schlüsselbein herrührten, das ich mir erst sechs Wochen zuvor gebrochen hatte. Die daumengroßen Blasen an meinen Füßen ignorierte ich hingegen bereits vollkommen.
Der Trail hatte mich quasi in seinen Bann gezogen und so fielen die kommenden Kilometer fast schon leicht. In Ullånger läuft der Trail zudem direkt an einem Supermarkt vorbei, was hieß, dass ich endlich meine Vorräte aufstocken konnte. Als ich kurz darauf noch an einer Apotheke hielt und dort – ohne Wörterbuch - und nur mithilfe meines bescheidenen Schwedisch erfolgreich eine Packung Augentropfen bestellte, war ich zudem fast schon ein bisschen stolz auf mich. Das Highlight des Tages war aber dennoch die warme Dusche, die an diesem Abend im Vandrarhem in Docksta auf mich wartete.
Von Docksta aus führte mich mein Weg weiter zum Naturum und von dort aus in den Nationalpark Skuleskogen, nach wie vor einer der schönsten Orte auf Erden. Allerdings musste ich recht schnell feststellen, dass dieser Ort wohl längst kein Geheimtipp mehr war. An diesem Freitagnachmittag fand ich dort alles, nur keine Ruhe. Überall waren Touristen und weiter oben, kurz nach der imposanten Schlucht namens Slåttdalsskrevan hatte ich sogar kurzzeitig das Gefühl, in einem Hundepark zu sein, mit dem Unterschied dass dort alle Hunde angeleint waren und jeder Vierbeiner Terz machte, sobald er einen anderen sah. Selbst als ich wenig später dort mein Lager in einer der wunderschönen Hütten aufschlug, änderte sich daran nichts, denn in unmittelbarer Nähe campierte eine größere Gruppe, deren Hund beinahe die ganze Nacht hindurch bellte.
Die nächste Station auf meinem Trail war Köpmanholmen. Hier stolperte ich auf meinem Weg nicht nur über eine wunderbare Reklame, sondern auch über eine kleine Pizzeria mit einem Pikachu im Schaufenster. Als ich den Inhaber fragte, was es mit der sonderlichen Schaufenster-Dekoration auf sich hatte, erklärte er mir freundlich, dass das Pokemon bereits zahlreiche Vorbesitzer hatte (inklusive einem Barbier), es wohl aber niemand hätte entfernen können, weshalb er sich kurzerhand dazu entschlossen hatte, einfach den Namen seiner Pizzeria darunterzusetzen.
Ich war mir nicht sicher, ob er mir mit der Geschichte einen Bären aufbinden wollte, aber angesichts der riesigen Pizza vor meiner Nase hielt sich meine Skepsis dann doch in Grenzen. Von Köpmanholmen führte bald eine Straße die Küste entlang Richtung Westen. Hier säumten kleine, verträumte Häuschen den Weg, die genauso gut der Titelseite eines Bausparkassen-Katalogs entsprungen sein könnten. Unterwegs wurde ich zudem immer wieder mit kleinen Rätseln unterhalten, die dort jemand an die Bäume genagelt hatte.
Wenige Kilometer später endete die Straße schließlich jäh und stattdessen führte ein kleiner Pfad wieder bergauf in den Wald und anschließend wieder hinab in das Balesuddens Naturreservat. Was erst einmal nach Idylle pur klingt, stellte sich jedoch schnell als absolut überlaufen heraus. Von hier aus war es nicht weit zum Balestjärnen, einem See, der mit seinem klaren grünen Wasser auch an diesem Wochenende unzählige Schweden zum Baden einlud. Auf den letzten Kilometern zur nächsten Station staunte ich außerdem nicht schlecht, als man mich begleitend von schrillen Schreien beinahe hinterrücks umrannte. Offenbar diente ein Teil des Trails an diesem Abend als Rennstrecke für irgendeine Renn-Schwimm-Veranstaltung, denn immer wieder rannten Schweden in Neopren-Anzug und Paddeln an den Händen an Tessa und mir vorbei.
Als ich rund eine halbe Stunde später endlich dem Trubel entkam und die nächste Hütte erreichte, wartete dort bereits eine Gruppe junger Deutscher auf mich, die zu meiner Freude bereitwillig ihre Unterkunft und ihre Geschichten mit mir teilten.
Sonntag sollte schließlich der letzte Tag auf dem Trail werden und so brach ich bereits in aller Frühe auf. Bis nach Örnsköldsvik waren es zwar weniger als zwanzig Kilometer, doch ich hatte bis dahin schlicht noch keine Erfahrungen mit dem schwedischen Nahverkehr sammeln können und wusste nicht, wie lange ich brauchen würde, um einen Bus zu finden, der mich zurück zu meinem Auto bringen würde. Keine schlechte Idee, wie sich bald darauf herausstellte. Tatsächlich war der Weg bis zuletzt recht reibungslos verlaufen, dennoch merkte ich, wie bei meiner Hündin allmählich die Kräfte nachließen. Immer öfter trödelte sie und ließ auf sich warten.
Der Trail endete letztlich abrupt und vollkommen unspektakulär mitten in der Stadt. Sichtlich enttäuscht darüber, dass das Ende des Höga Kustenleden nicht mit dem Anfang mithalten konnte, zog ich von hier aus weiter zur örtlichen Tourist Information, ganz so wie der Tour-Guide es mir riet.
Ab hier hieß es dann allerdings: Lost in Translation. Das kleine Heftchen, das mir den ganzen Trail über gute Dienste erwiesen hatte, zeigte nun deutliche Schwächen. Zunächst einmal verlor der Travel-Guide kein Wort darüber, wo sich die besagte Tourist-Info überhaupt befand. Was ich ihm jedoch verziehen hätte, wäre da nicht die Tatsache, dass er mir auch verschwiegen hatte, dass diese sonntags geschlossen ist. So stand ich schließlich vor verschlossener Türe und hatte keine Ahnung, wie ich zurückkommen sollte.
Immerhin fand ich wenig später eine Studentin, die sich sogar die Mühe machte, mich zum örtlichen Busbahnhof zu begleiten. Leider wusste sie von dort aus aber auch nicht weiter, denn wie sich herausstellte, ist der schwedische Nahverkehr selbst für Schweden ein Buch mit sieben Siegeln. Elektronische Tafeln an den Bushaltestellen, die nicht mit den gedruckten Fahrplänen übereinstimmen. Gedruckte Fahrpläne, die zwar laut Aushang bis Ende des Jahres gültig sind, aber es offensichtlich nicht mehr sind. Und eine Webseite, die die passende Haltestelle nicht fand. Mein Travel-Guide schien mich zwischenzeitlich bereits zu verhöhnen, denn dort hieß es vollmundig „the town [Örnsköldsvik] has a rich flora of public transport“. Long story short: Ich wartete über zwei Stunden auf den nächsten Bus, erwischte dabei sogar zufällig den richtigen und kam schließlich doch noch überglücklich an meinem Auto an.
Dass ich bereits wenig später noch einmal mit Örnsköldsvik auf Kriegsfuß stehen würde, wusste ich da noch nicht...
Johannes hat auch noch einmal seine Tipps zum Wandern auf dem Höga Kustenleden zusammengefasst - Von Wasserfilter, über Infobroschüre hin zu Regenponcho...
Text und Fotos:
Johannes, Baujahr 90, lebt und arbeitet in Hanau. In seiner Freizeit geht er gemeinsam mit seiner Hündin Tessa gern an seine Grenzen. Mental wie geografisch. Zu seinen Hobbies zählen neben zahlreichen Sportarten vor allem das Reisen und Fotografieren. Seine Arbeiten veröffentlicht er unter dem Pseudonym Alpha Image auf Facebook.
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