Es ist kühl, der Himmel ist grau, das Moor ist feucht. Das Dunkelgrün der Fichten erscheint vorerst die strahlendste Farbe des Tages zu sein. Gewappnet mit Wollmützen und Gummistiefeln, Tee und Käsestullen sind wir auf alles vorbereitet. Wir sind zum Beerenpflücken verabredet. Moosbeeren genauer gesagt.
Schon die Wikinger sahen das Verspeisen von Moosbeeren als lecker und gesund an. Und wegen ihrer Inhaltsstoffe wird die Moosbeere in Russland sogar „nördliche Zitrone“ genannt und in der traditionellen Medizin eingesetzt.
Wir stapfen los, der Boden unter unseren Gummisohlen wird weicher und feuchter. Wir finden und testen die ersten roten Beeren: Keine Spur von Zitrone! Klar, sie sind nicht so süß wie eine Erd- oder Himbeere. Aber zitronensauer sind sie auch nicht.
Der Geschmack erinnert ein wenig an den von Preiselbeeren, die Konsistenz hingegen nicht. Moosbeeren sind wesentlich weicher. Dass Moosbeeren
ähnlich schmecken wie Preiselbeeren, liegt wohl daran, dass ihre Inhaltsstoffe recht genau übereinstimmen. Mittlerweile werden
auch sie in diversen Produkten verarbeitet. Seit einigen Jahren gibt es Kapseln und Saft aus Moosbeeren zu kaufen und auch die
alternative Krebsforschung hat ein Auge auf die kleinen Roten geworfen. Sie sind sehr reich an organischen Säuren und Zuckern und selbst bei langer Lagerung bleiben ihre Vitamine und
Mineralstoffe erhalten.
Zusammen mit Kiefern und Birken gehörten Moosbeeren mit zu den ersten Siedlern der von Eis befreiten Regionen. Also damals, nach der Eiszeit. Aber auch jetzt fühlen sie sich im Feuchten, vor allem in Moorgebieten am wohlsten. Und weil so ein großer Anteil der Fläche Skandinaviens aus eben diesem besteht, gibt es sie hier viel zu finden. Neben Skandinavien kommen sie auch in Nordrussland, im Baltikum, in Nordamerika und Japan vor. Auch in den Alpen gibt es Moosbeeren. Allerdings nur bis 1500 Meter. In Deutschland gelten sie als gefährdete Art (Kategorie 3), sind jedoch nicht geschützt.
Die Moosbeere (Vaccinium Oxycoccus, auch Torf- oder Kranichbeere) gehört zu den Heidekrautgewächsen. So wie Blaubeeren, Preiselbeeren und Rauschbeeren. Trotz botanischer Verwandtschaft, unterscheiden sich die Beerenarten aber nicht nur im Aussehen, sondern auch im Geschmack, ihrer Herkunft und Größe. Während Blau- und Rauschbeeren zum Beispiel dunkel sind, haben Preisel- und Moosbeeren eine rote Farbe. Es gibt zwei Arten von Moosbeeren, die „gemeine, oder gewöhnliche“ - von der ich hier spreche - und eine kleinere Sorte, die aber gemeinsam mit der größeren wächst und sich auch sonst wenig unterscheidet.
Das Finden der Moosbeeren ist nicht sonderlich schwer: Ab ins Moor und hinunter gebeugt! Entgegen der Farbannahme der Einleitung, bekommen wir doch noch strahlende Farben an diesem Herbsttag im Oktober: Rot in vielerlei Facetten. Obwohl wir zu sechst auf dem moosigen, nassen Untergrund umherwandeln, sprechen wir wenig miteinander. Irgendwie scheint jeder in seiner eigenen Meditation aufzugehen. Uns überkommt die Beerensammel-Ruhe. Jeder ist allein mit seinem Sammelgefäß und den Beeren und es gilt möglichst viele der Kleinen einzusammeln. Ganz ohne Hektik und Wettbewerb. Denn Moosbeeren wollen vorsichtig gepflückt werden. Sie sind recht zart. Wir pflücken sie einzeln. Ein Beerenkamm käme überhaupt nicht in Frage - er würde sie zerquetschen.
Die Moosbeer-Pflanze ist immergrün. Von Mai bis Juni blüht sie zartrosa mit zurückgeklappten Zipfeln und lässt dann im schwedischen Herbst, im Oktober ihre orange bis dunkelroten Beeren reifen (dann, wenn die Kraniche sich bereit machen um loszufliegen - weshalb sie auf Schwedisch Kranichbeere heisst!). Sie bleibt dabei ganz nah am Boden - ihre Stiele kriechen über das Moor, ihre Triebe sind sehr dünn. Die Blätter der Pflanze sind länglich oder oval und ledrig. Oben ganz dunkelgrün und unten etwas weißlich.
Die Beeren kommen in vielen Variationen von „rund“ daher - sphärisch, birnenförmig, unregelmäßig kugelig - und haben einen Durchmesser von 5 bis 20 Millimetern. Sie werden nicht abgeworfen und bleiben, wenn sie nicht gepflückt werden, bis zum nächsten Frühjahr an den Triebenden hängen. Einige der Beeren sind gesprenkelt, manche versuchen den Anschein zu erwecken, sie seien Granatäpfel in Miniaturform. Sie sind hübsch und verleiten uns zu einer kleinen Fotostudie bezüglich Form- und Farbgebung.
Neben all den verschiedenen Rottönen auf dem Boden, beziehungsweise in unseren Sammelbehältern, bekommen wir auf unserem Ausflug noch mehr Farbenpracht geschenkt. Ein herrlicher Regenbogen zeigt sich am schwedischen Herbsthimmel. Wir machen eine Sammelpause, starren in den Himmel, verspeisen Käsebrot und trinken warmen Tee. Dabei überlegen wir, was wir mit unserer leckeren Beute anstellen.
Erst nach dem ersten Frost werden die Beeren weich, etwas süßer und bekömmlich. Dann wird daraus Saft, Tee, Likör, Wein (sehr lecker!), Marmelade oder Trockenobst. In Schweden werden sie auch gern „eingebacken“, zum Beispiel in Brot oder Brötchen. Wie auch Preiselbeeren schmecken sie leicht bitter.
Neben der Verwendung zum Verspeisen oder Trinken, kommen Moosbeeren auch in der Herstellung von Cremes und Vitaminpräparaten und zur Krankheitsprävention und -behandlung zum Einsatz.
Vor allem in der russischen Volksmedizin werden Moosbeeren bei einer Vielzahl von Beschwerden zur Heilung und zur allgemeinen Stärkung des Immunsystems eingesetzt. Als Saft, Maske oder Umschlag sollen sie eine große Anzahl Beschwerden lindern. Darunter Erkältungen (vor allem Husten), Fieber, Müdigkeit, hoher Blutdruck, Hauterkrankungen, Entzündungen, Kopfschmerz, Magenverstimmungen (und das ist nur eine Auswahl!). Vor allem ihre antibakterielle Wirkung ist erwiesen.
Wir nutzen unsere Moosbeerenernte für Wein, Saft und Marmelade. Aber vielleicht teste ich bei der nächsten Erkältung auch mal die heilende Wirkung aus.
Sicherlich ist die Moosbeere eine der eher unbekannteren Beerensorten. Aber in Schweden ist sie recht häufig und es macht so viel Spaß, sie im Moor zu pflücken. Deshalb wollte ich sie hier vorstellen. Kennst du Moosbeeren?
Text und Fotos: Rike Jütte und Arne Gerken
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade Waldrausch von Finnweh!
Das könnte dich auch interessieren:
Beerenguide Schweden
Die Schattenseite des Beerenpflückens
Blaubeeren in Schweden
Auf Planken im Moor
Das Jedermannsrecht in Schweden
Schwedische Ingwerbirnen
Rezension: Nordic das Kochbuch von Magnus
Nilsson
Rezept für Wanderfrühstück
Empfehlung*:
Um Beeren zu bestimmen und sicher unterscheiden zu können:
Nichts mehr verpassen?! Lies auf feedly oder bloglovin mit!