Gastartikel | Carola ist eine reisehungrige Neugierige. Letztes Reiseziel: Göteborg. Ich habe sie gebeten, ein wenig über die Stadt und ihre Erfahrungen während des Schwedenbesuchs zu berichten. Dabei ist eine spannende Sammlung deutsch-schwedischer Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgekommen.
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Vorhang auf für Carola!
"Einmal Schweden und zurück …"
So hieß mein Lieblingshörspiel von IKEA. Mit der Fähre ging es von Travemünde nach Trelleborg, es wurde Mittsommer gefeiert und das absolute Highlight war der singende Elch. Neben Astrid Lindgren ist dieses Hörspiel dafür verantwortlich, dass ich ein sehr festes Schweden-Bild im Kopf habe. Bei meinem Kurzurlaub in Göteborg versuche ich nun, diese Bilder zu bestätigen.
Ehrlich gesagt, Schweden ist irgendwie ganz anders und doch genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.
Ich besuche meine Freundin Anna, die ich kenne, seit wir vor 10 Jahren zusammen in Kalifornien studiert haben. Schon damals haben wir uns gefreut, dass wir absolut gar keine Verständigungsproblem haben, denn zwischen Englisch, Deutsch und Schwedisch war es unmöglich, etwas nicht zu verstehen. Wussten wir es auf Englisch nicht, haben wir das Wort in unserer Muttersprache gesagt und die andere wusste meist sofort, worum es ging.
Von Berlin aus fliege ich nach Göteborg. Der Flug dauert genau eine Stunde und somit bin ich schneller in Göteborg, als mit dem Zug zu Hause in Göttingen.
Als ich ankomme bin ich schnell begeistert, denn der Flughafen ist sauber und schön, es gibt einen niedlichen Kinderspielplatz im Gepäck-Wartebereich und die Toiletten sind zum Teil unisex. Neben Elchen und Lindgren wird in meinem Kopf vage auch die Erinnerung an Schweden als ein tolerantes, multi-kulti Land mit einem extremen Kinderfreundlichkeits-Faktor wach.
Anna holt mich ab und nach einer knappen halben Sunde sind wir in Eriksberg. Eriksberg ist ein Stadtteil von Göteborg, der auf einer Insel liegt, was nicht weiter auffällt. Aber es ist schön, aus dem Fenster zu schauen und den Fluss Göta Älv zu sehen, auf dem täglich die Fähren nach Dänemark und Deutschland vorbeifahren.
Schon am ersten Abend ist es so, als wäre es nicht 10 Jahre her, seitdem Anna und ich uns das letzte Mal gesehen haben. Obwohl wir inzwischen beide einen Dr. vor dem Namen stehen haben und Anna seit diesem Jahr verheiratet ist und eine kleine Tochter hat, fangen wir genau da an, wo wir aufgehört haben. Wir trinken Wein, sitzen auf dem Sofa und sprechen über alles, was uns so in den Sinn kommt.
Ich muss mein vages Gefühl von Schweden als tolerant und kinderfreundlich noch einmal neu betrachten. Ja, Schweden ist super tolerant, aber manchmal ist es schon zu tolerant. Wenn man sich gar
nicht mehr kritisch äußern darf, ohne in den Verdacht zu kommen, rassistisch, frauenfeindlich oder homophob zu sein, dann ist irgendwie auch was falsch. Kinderfreundlich stimmt absolut,
dummerweise werden aber sowohl Mütter als auch Väter verpflichtet Kinderzeit zu nehmen. Eigentlich toll, aber wenn gesetzlich die Anzahl der Tage festgelegt ist, stimmt auch irgendwas nicht, denn
dann wird gar nicht beachtet, dass vielleicht ein Elternteil mehr Geld verdient oder lieber mehr arbeiten möchte. Also ist in Schweden alles so wie in Deutschland auch: alles hat seine guten und
seine schlechten Seiten und man muss genau hinschauen und zuhören.
Meiner Schweden-Euphorie tut das aber nicht weh und ich freue mich auf die kommenden Tage.
Neben den Gesprächen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Deutschland und Schweden, steht natürlich auch ein bisschen Sightseeing auf dem Programm. Mit der Fähre fahren wir von
Eriksberg rüber in die eigentliche Stadt.
Mit der Fähre! Ganz normal, für mich aber total cool, vor allem am wahrscheinlich letzten sonnigen Tag des Jahres, denn in Göteborg sind die Winter lang und grau. Die Sonne scheint, das Baby schläft und Anna und ich schlendern durch die Stadt, vorbei an der Statue des Stadtgründers, an der Universität, an
Museen und Parkanlagen. Wir lassen uns einfach treiben und Göteborg ist eine gute Stadt zum treiben lassen.
Es gibt jede Menge Geschäfte, in denen man alles Mögliche bestaunen und kaufen kann. Das Sortiment vieler Läden sieht so aus, wie die untere Etage von IKEA, nur dass hier alles individueller ist
und nicht jeder Zweite dieselbe Lampe oder dasselbe Geschirr hat. Der skandinavische Charme ist jedoch der gleiche.
Wir bummeln durch die Geschäfte und durch die Straßen und ab und zu halten wir an, gehen in ein Café, essen und trinken etwas, typisch Schwedisches Fika halt. Im Café Husaren in Haga, einem der
ältesten Teile der Stadt, gibt es zu meiner Enttäuschung das Gebäck nicht in Miniaturform, so dass ich mich durchprobieren kann, sondern in Riesengröße: ein Stück Blaubeerkuchen reicht für den Rest des Tages.
Abends gibt es (natürlich!) Köttbullar, schließlich bin ich in Schweden. Ungewöhnlich ist, dass wir dazu, ganz dekadent an einem Dienstag, Champagner trinken, um auf den Hauskauf von Anna und
ihrem Mann Henrik anzustoßen.
Am nächsten Tag geht es raus auf die Schären und ich bin im 7. Astrid Lindgren Himmel. Zwar ist es die falsche Küste, aber trotzdem sieht alles genau so aus, wie auf Saltkrokan und fast erwarte ich, dass uns am Bootsanleger von Donsö Bootsman und Tjorven erwarten.
Das ist leider nicht der Fall, aber dafür gibt es eine steife Brise, jede Menge Natur und zum Mittagessen Hackbraten mit Soße, Preiselbeermarmelade und Preiselbeer-Limonade. Anna sagt, dass sei typisch Schwedisches Essen und es fällt mir nicht schwer, das zu glauben, denn irgendwie fühle ich mich auch schon wieder wie bei IKEA. (Sowohl Besteck, als auch Gläser haben übrigens den bekannten Stempel unten drunter.) Das Baby verschläft den gesamten Ausflug hindurch und auch wir sind vom Tag am Meer ordentlich durchgepustet und von der frischen Luft angenehm müde.
In jedem meiner Urlaube gehört es dazu, im Supermarkt zu stöbern und spannende einheimische Spezialitäten zu kaufen.
In Göteborg besteht mein Einkauf dann aus Keksen, Lakritze, Schokolade, Preiselbeermarmelade und rosafarbenen Mülltüten, worüber sich nicht nur Anna amüsiert, sondern auch die Kassiererin, die Wartenden in der Schlange und zu Hause dann noch Henrik.
Schön, dass ich zur Volkserheiterung beitragen kann.
Beim anschließenden Weinkauf kann ich, trotz Vorwarnung, die Preise einfach nicht glauben und fange fast an zu Weinen.
Gut dass mich der Verkäufer wieder aufmuntert und nach meinem Ausweis fragt, damit ich mich nicht wie eine Touristin fühlen muss, sondern fast wie eine echte Schwedin.
Ich bin Carola und ich kenne Rike, seit sie auf der Welt ist, wie das nun mal so ist, wenn die Eltern befreundet sind und sehr viel Zeit miteinander verbringen.
Zum Pflegen von Freundschaften, gehört es, dass ich gerne und viel reise. Meistens reise ich unkonventionell und unvorbereitet und lasse mich durch die Gegend treiben. Stadtpläne sind für Anfänger. Öffentliche Verkehrsmittel auch! Beim Laufen entdeckt man mehr.
Text und Fotos: Carola Croll
Zum Weiterlesen:
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